Praktischer Ablauf einer Prüfungsanfechtung

Prüflinge, die (mit anwaltlicher Unterstützung) die Anfechtung einer Prüfungsentscheidung in Betracht ziehen, beschäftigen sich im Vorfeld ihrer Durchführung (und der Mandatierung eines Rechtsanwalts) im Allgemeinen zunächst mit den Fragen, ob und unter welchen Voraussetzungen diese Aussicht auf Erfolg hat, welche (Rechtsanwalts-)Kosten ihnen dafür entstehen und häufig auch, wie diese praktisch abläuft.

Die ersten beiden Fragen beantworte ich in jeweils eigenständigen Beiträgen. Hier möchte ich Ihnen lediglich einige Informationen dazu geben, wie die Einleitung und Durchführung einer Prüfungsanfechtung (mit meiner anwaltlichen Unterstützung) abläuft.

Klärung Ihrer Ausgangslage sowie des Inhalts und Ziels Ihrer Einwendungen

Nachdem Sie mich per E-Mail oder telefonisch kontaktiert haben, kläre ich, soweit sich entsprechende Informationen nicht schon aus Ihrer E-Mail-Anfrage ergeben, im Rahmen unserer E-Mail-Korrespondenz und/oder unseres Telefonats zunächst, wie sich Ihre (prüfungsrechtliche) Ausgangslage darstellt, welche (wesentlichen) Einwände Sie gegen die Prüfungsentscheidung bzw. die ihr zugrundeliegenden Einzelbewertungen (bereits) erheben (können), deren Inhalt und Zielrichtung, sowie, ob ggf. laufende (Rechtsbehelfs-)Fristen in Ihrer Sache (von mir) noch gewahrt werden können.

Mandats- und Vergütungsvereinbarung, ggf. Vollmachtserteilung und Übersendung Prüfungsunterlagen

Sofern ich im Rahmen meiner vorläufigen Einschätzung Ihrer Angelegenheit zu dem Ergebnis komme, dass eine erfolgreiche Anfechtung des von Ihnen erzielten Prüfungsergebnisses nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint, und Sie daran interessiert sind, dass ich mich mit dieser näher befasse, unterbreite ich Ihnen dafür einen entsprechenden Honorarvorschlag.

Nachdem wir uns auf ein Honorar geeinigt haben, bitte ich Sie, mir die (weiteren) Ihnen ggf. bereits vorliegenden und mir noch nicht zur Verfügung gestellten Prüfungsunterlagen, die ich für die konkrete Begutachtung der Erfolgsaussichten benötige (z.B. Prüfungsprotokoll,-niederschrift, Bewertungsbögen, schriftliche Prüfungsarbeiten nebst Aufgabenstellung und Prüfervoten etc.), zu übersenden.

Wenn ich die (weiteren) Prüfungsunterlagen erst noch bei der zuständigen Stelle anfordern muss und/oder ich dort absprachegemäß fristwahrend Widerspruch oder einen sonstigen außergerichtlichen Rechtsbehelf einlegen soll, bitte ich Sie weiter um die Erteilung der dafür erforderlichen Vollmacht.

Von mir erhalten Sie nach erfolgter Mandatierung noch eine schriftliche Vergütungs- und Mandatsvereinbarung, die die zuvor vereinbarten Konditionen der Mandatsbearbeitung festhält, und mit der ich Sie auch über Ihr Recht zum Widerruf des Mandats belehre und über die Möglichkeit der Abgabe einer Widerrufsverzichtserklärung aufkläre.

Mit der Mandatsbearbeitung beginne ich erst, wenn mir die von Ihnen unterschrieben Mandats- und Vergütungsvereinbarung nebst Widerrufsverzichtserklärung vorliegt oder die 14-tätige Widerrufsfrist abgelaufen ist.

Widerspruch, Akteneinsicht und (erste) Überprüfung der Erfolgsaussichten

Im ersten Schritt lege ich, soweit (noch) erforderlich, bei der zuständigen Stelle Widerspruch oder den sonstigen einschlägigen Rechtsbehelf ein und/oder beantrage die Übersendung der von mir benötigten Prüfungsunterlagen.

Sofern mir diese bereits vorliegen, kann ich unmittelbar, ansonsten nach deren Eingang, eine erste nähere Prüfung der Sach-und Rechtslage vornehmen, wozu insbesondere auch die Frage gehört, ob eine ausreichende Bewertungsbegründung vorliegt, die Sie und/oder mich hinreichend in den Stand versetzt, substantiierte (fachliche) Einwände gegen die Bewertung zu erheben.

Ggf. Anforderung einer (ergänzenden) schriftlichen Bewertungsbegründung

Insbesondere bei mündlichen und (berufs-)praktischen Prüfungen muss von den Prüfern zunächst häufig noch eine ergänzende (schriftliche) Begründung der Bewertung angefordert werden, die bei dieser Prüfungsform nämlich nicht von vornherein, sondern nur auf Verlangen des Prüflings erfolgen muss, so dass sich dem Prüfungsprotokoll und/oder den Bewertungsbegründungen meist noch keine aussagekräftige Begründung entnehmen lässt.

In diesem Fall kann eine abschließende Überprüfung der Erfolgsaussichten erst in einer zweiten Überprüfungsstufe erfolgen und die Prüfung in der ersten Stufe beschränkt sich zunächst darauf, festzustellen, ob das Leistungsermittlungs- und Bewertungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist.

Insbesondere bei juristischen Prüfungen auch autonome Überprüfung des Vorliegens fachlicher Bewertungsfehler

Bei Prüfungen, bei denen ich für die Beurteilung des Vorliegens fachlicher Bewertungsfehler über eigene Fachkenntnis verfüge, insbesondere bei juristischen Prüfungen, nehme ich eine autonome Überprüfung der fachlichen Kritik vor, gebe Ihnen aber natürlich die Gelegenheit, diese auch selbst zu überprüfen und mir Ihre Überlegungen zum Vorliegen von fachlichen Bewertungsfehlern mitzuteilen.

Sollen Sie selbst trotz grundsätzlich eigener Fachkenntnis keine fachlichen Bewertungsfehler feststellen können oder sich dazu nicht in der Lage sehen, kann auch eine Sachverständige bzw. ein Sachverständiger hinzugezogen werden.

Wenn es mir an fachlichen Kenntnissen mangelt, beschränkt sich meine Überprüfung der Berechtigung der fachlichen Prüferkritik in erster Linie auf eine Kontrolle der Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit, hinreichenden Substantiierung sowie Sachlichkeit Ihrer Einwände.

Bei fehlender Fachkenntnis Überprüfung der fachlichen Kritik mit (Ihrer) sachverständiger/n Hilfe

Bei Prüfungen, bei denen ich mangels hinreichender eigener Fachkenntnis nicht beurteilen kann, ob fachliche Bewertungsfehler vorliegen, bitte ich Sie, insoweit eine eigenständige Prüfung vorzunehmen, und übersende Ihnen hierfür, falls erforderlich, die Prüfungsunterlagen.

Sie müssen sich dann im Einzelnen mit der fachlichen Kritik der Prüferinnen und Prüfer auseinandersetzen und prüfen, ob Sie gegen diese substantiierte Bewertungsrügen erheben, also etwa geltend machen können, dass Ihr „Antwortspielraum“ verletzt worden ist, weil die Prüferinnen und Prüfer eine von Ihnen gegebene Antwort oder einen eingeschlagenen Lösungsweg zu Unrecht als falsch bzw. nicht vertretbar bewertet haben Entsprechende Rügen sollten Sie dann am besten mit Fachliteratur belegen.

(Schriftlich begründete) Einschätzung der Erfolgsaussichten

Nach abgeschlossener, umfassender Prüfung der Sach- und Rechtslage erhalten Sie von mir eine – meist schriftlich – begründete Einschätzung der Erfolgsaussichten einer Prüfungsanfechtung.

Natürlich wünschen Sie sich ein positives Ergebnis meiner Begutachtung. Aber wenn ich zu diesem nicht gelangt bin, sehe ich auch meine Aufgabe darin, Sie von einer aus meiner Sicht aussichtslosen Rechtsverfolgung abzuhalten.

Meine stets ehrliche Einschätzung der Erfolgsaussichten wird Sie nicht immer erfreuen, aber wenn Sie mich letztlich nur beauftragt haben, um von mir nur eine eigene Bestätigung Ihrer eigenen (falschen) Einschätzung zu erhalten, stehe ich dafür nicht zur Verfügung.

Wenn mir eine Prüfungsanfechtung aussichtsreich erscheint, zeige ich Ihnen die wesentlichen Einwände auf, die aus meiner Sicht gegen die Prüfungsentscheidung bzw. die ihr zugrundeliegenden Einzelbewertungen mit welcher Zielrichtung erhoben werden können. Zudem unterbreite ich Ihnen ein Angebot für die Anfertigung der Widerspruchsbegründung bzw. Einwendungsschrift(-en).

Abfassung einer Widerspruchsbegründung bei aussichtsreicher Prüfungsanfechtung

Nachdem Sie meine (positive) Einschätzung der Erfolgsaussichten einer Prüfungsanfechtung und mein Angebot für die Erstellung einer dem Ergebnis meiner Begutachtung entsprechenden Widerspruchsbegründung/Einwendungsschrift(-en) erhalten haben, entscheiden Sie, ob und ggf. in welchem Umfang die Prüfungsanfechtung durchgeführt werden soll. Häufig entstehen noch Rückfragen zu meiner Einschätzung und/oder der Höhe meines Honorars.

Nachdem wir alle Punkte geklärt, Sie mir den entsprechenden Auftrag erteilt und eine neue, von Ihnen unterzeichnete Vergütungsvereinbarung übersandt haben, fertige ich die Widerspruchsbegründung/die Einwendungsschrift(-en) an.

Dabei arbeite ich ggf. Ihre fachlichen Einwände gegen die Bewertung ein oder reiche diese als Anlage mit ein. Bevor ich die Widerspruchsbegründung/Einwendungsschrift(-en) der zuständigen Stelle übersende, erhalten Sie natürlich Gelegenheit, diese durchzusehen und etwaige Änderungs-/Ergänzungswünsche anzumelden.

Weiterer Ablauf nach Einreichung der Widerspruchsbegründung/Einwendungsschriften

Wenn mit der Widerspruchsbegründung oder der Einwendungsschrift/den Einwendungsschriften auch Einwände gegen die Bewertung erhoben werden, wird zunächst einmal eine Stellungnahme der von ihnen betroffenen Prüferinnen und Prüfer vor Erlass einer abschließenden Entscheidung eingeholt.

Bevor eine solche veranlasst wird, findet mitunter eine Vorprüfung dahingehend statt, ob aufgrund des Inhalts der Widerspruchsbegründung das Vorliegen von Bewertungsfehlern nach summarischer Prüfung nicht ausgeschlossen erscheint, so etwa in Rheinland-Pfalz bei der Erhebung von Rügen gegen die Bewertung der Einzelleistungen im Rahmen der juristischen Staatsprüfungen.

Sobald die Stellungnahmen der Prüferinnen und Prüfer vorliegen, wird von einigen Prüfungsämtern die Gelegenheit eingeräumt, vor Erlass des Widerspruchsbescheides noch einmal Stellung zu nehmen.

Wenn die Prüferinnen und Prüfer die gegen ihre Bewertungen erhobenen Einwände zurückgewiesen haben, ergeht im Allgemeinen ein ablehnender Widerspruchsbescheid. Die Widerspruchsbehörde hat im Übrigen aber das Recht und die Pflicht, das Vorliegen von Bewertungs- und sonstigen Rechtsfehlern festzustellen und eine Neubewertung von Prüfungsleistungen, ggf. durch andere Prüferinnen/Prüfer, oder die (Teil-)Wiederholung der Prüfung anzuordnen.

Eine aus Sicht der Widerspruchsbehörde erforderliche Neubewertung von Prüfungsleistungen wird meist nicht im Widerspruchsbescheid angeordnet, sondern vor dessen Erlass in die Wege geleitet.

Wird der Widerspruch ganz oder teilweise oder werden die Einwendungen im Rahmen eines eigenständigen Nachprüfungsverfahrens zurückgewiesen, kann die Prüfungsanfechtung gerichtlich weiterverfolgt werden.