Abiturergebnisanfechtung
Die durch die erfolgreiche Ablegung der Abiturprüfung erworbene allgemeine Hochschulreife stellt nach wie vor die einzige Qualifikation dar, die zur Aufnahme eines Studiums an allen Hoch- und Fachhochschulen in der Bundesrepublik Deutschland in allen angebotenen Studiengängen berechtigt.
Aufgrund der zunehmenden Anzahl an Studierwilligen – auch und gerade infolge der Öffnung der Hoch- und Fachhochschulen für Nichtabiturientinnen und Nichtabiturienten bei weitgehend gleichbleibender Ausbildungskapazität – reicht vielfach auch außerhalb der klassischerweise überlaufenen Studiengänge allein der Erwerb der (Fach-)Hochschulreife für die Aufnahme des Wunschstudiums nicht aus.
Erforderlich ist vielmehr nicht selten eine (sehr) gute Durchschnittsnote im (Fach-)Abitur für eine realistische Chance auf den Erhalt des Wunschstudienplatzes.
Angesichts der Bedeutung des Erwerbs der (Fach-)Hochschulreife (mit einer bestimmten Durchschnittsnote) für die Studier- und späteren beruflichen Entfaltungsmöglichkeiten fragen sich viele (Fach-)Abiturientinnen und Abiturienten, die das (Fach-)Abitur nicht oder nicht mit der angestrebten Durchschnittsnote bestanden haben, und/oder deren Eltern, häufig und zu Recht, ob, unter welchen Voraussetzungen und mit welchem Ziel die in der (Fach-)Abiturprüfung erzielten Prüfungsergebnisse angefochten werden können.
(Fach-)Abiturergebnisse zunächst mit Widerspruch anfechtbar
Da die Mitteilung des (Nicht-)Bestehens der (Fach-)Abiturprüfung (mit einer bestimmten Note) einen so genannten (Schul-)Verwaltungsakt darstellt, kann gegen diesen zunächst Widerspruch eingelegt werden.
Zur Vermeidung der Bestandskraft der Prüfungsentscheidung muss von dieser Möglichkeit im Falle der Erteilung einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung innerhalb eines Monats nach Ergebnisbekanntgabe Gebrauch gemacht werden.
Ist eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft erfolgt, kann der Widerspruch sogar binnen Jahresfrist ab Bekanntgabe des Ergebnisses der (Fach-)Abiturprüfung erhoben werden.
Recht- und Zweckmäßigkeitsprüfung nur bei konkreten Einwänden
Der Widerspruch führt im Grundsatz zu einer umfassenden Überprüfung der Recht- und Zweckmäßigkeit der Einzelbewertungen, die der Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen des (Fach-)Abiturs zugrunde liegen. Dies gilt allerdings nur, soweit eine Widerspruchsbegründung vorliegt und deren Inhalt dazu Veranlassung bietet.
Mit anderen Worten obliegt es der/dem von der Prüfungsentscheidung Betroffenen, konkrete und nachvollziehbare Einwände gegen die Bewertung zumindest einer (Teil-)Prüfungsleistung zu erheben, die für das Gesamtergebnis erheblich ist.
Diese Einwände können sich gegen das Verfahren der Ermittlung der Prüfungsleistung, das Zustandekommen ihrer Bewertung und gegen den Inhalt ihrer Begründung richten.
Mit inhaltsbezogenen Bewertungsrügen kann neben der/dem Lehrerin/Lehrer unterlaufenen Bewertungsfehlern – etwa in Form eines „Sachverhaltsirrtums“ oder einer fachlichen Fehleinschätzung – auch eine unzweckmäßige Ausübung des pädagogischen Bewertungsspielraums durch sie/ihn – etwa in Gestalt einer zu strengen Bewertung – gerügt werden.
Rügen, die sich gegen den Inhalt der Bewertung oder deren Begründung richten, erfordern, wenn sie hinreichend konkret und nachvollziehbar formuliert sind, immer die Einholung einer Stellungnahme der verantwortlichen Lehrkraft.
Denn nur diese kann im Rahmen der nochmaligen Ausübung ihres Bewertungsspielraums entscheiden, welche Folgen die Korrektur etwaiger Bewertungsfehler hat und die eigenen prüfungsspezifischen Wertungen abändern.
Wiederholung, Neubewertung der Prüfungsleistung oder Überdenken ihrer Bewertung
Rechtzeitig gerügte oder offenkundige und nicht oder nicht genügend ausgeglichene Mängel im Verfahren der Ermittlung von (Teil-)Prüfungsleistungen führen zu einem Prüfungsverfahrensfehler und begründen einen Anspruch auf Wiederholung der von ihm betroffenen Prüfungsleistung(en), wenn sein Einfluss auf das (Gesamt-)Prüfungsergebnis nicht ausgeschlossen werden kann.
Bewertungsfehler begründen, unabhängig davon, ob sie das Zustandekommen oder den Inhalt der Bewertung betreffen, grundsätzlich nur einen Anspruch auf rechtsfehlerfreie Neubewertung der Prüfungsleistung(en).
Wenn allerdings keine hinreichende Bewertungsgrundlage mehr vorliegt, was in erster Linie bei mündlichen und praktischen Prüfungen in Betracht kommt, führen auch Bewertungsfehler zu einer Wiederholung der falsch bewerteten Prüfungsleistung(en).
Substantiierte Rügen, die sich gegen die Art und Weise der Ausübung des Bewertungsspielraums richten, verpflichten die verantwortliche Lehrkraft, sich mit ihnen auseinanderzusetzen und in ihrem Lichte die angegriffene Bewertung zu überdenken.
(Nicht-)Abhilfeentscheidung/Widerspruch
Wenn die Schule, bei der der Widerspruch erhoben worden ist, diesen für (teilweise) begründet hält, hilft sie ihm ganz oder teilweise ab. Soweit keine Abhilfe erfolgt, legt sie den Widerspruch der zuständigen Widerspruchsbehörde vor.
Da (auch) die Widerspruchsbehörde nicht in den Bewertungsspielraum der Lehrerinnen und Lehrer eindringen, also insbesondere nicht eine eigene Bewertung der Prüfungsleistung vornehmen darf, beschränkt sich deren Überprüfung der Prüfungsentscheidung auf eine reine Rechtmäßigkeitskontrolle.
Die Widerspruchsbehörde prüft also nur, ob diese auf Verfahrens- und/oder Bewertungsfehlern beruht. Ist dies der Fall, kann sie die Wiederholung aller oder einzelner Prüfungsleistungen oder deren Neubewertung- ggf. auch durch andere Prüferinnen und Prüfer – anordnen.
Gerichtliche Rechtsschutzmöglichkeiten
Wird der Widerspruch auch nach Prüfung durch die Widerspruchsbehörde zurückgewiesen, besteht die Möglichkeit, gegen die streitgegenständliche Prüfungsentscheidung in der Gestalt des Widerspruchsbescheides Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht zu erheben.
Das Verwaltungsgericht kann aber ebenso wie die Widerspruchsbehörde nur die Rechtmäßigkeit der Prüfungsentscheidung überprüfen. Steht die fachliche Richtigkeit bzw. Vertretbarkeit der Antwort (en)/Lösung(en) einer Schülerin/eines Schülers zur Diskussion, wird vom Verwaltungsgericht zur Klärung ggf. ein Sachverständigengutachten eingeholt.
Es besteht auch die theoretische Möglichkeit, beim Verwaltungsgericht einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu stellen, der auf die (vorläufige) Neuerbringung bzw. Neubewertung von Prüfungsleistungen gerichtet sein kann. Praktisch ist diese Möglichkeit aber von eher geringer Bedeutung.
Meine Kompetenzen und Erfahrungen
Ich habe von Beginn meiner Tätigkeit im Prüfungsrecht an neben berufsbezogenen Prüfungsentscheidungen auch Entscheidungen über das (Nicht-)Bestehen der Abiturprüfung angefochten. Abiturergebnisanfechtungen stellen im Schulrecht mein Hauptbetätigungsfeld dar.
Teilweise bin ich in der Lage, die streitgegenständlichen Beurteilungen auch in fachlicher Hinsicht zu überprüfen. Im Übrigen aber ist es Aufgabe der Mandantin/des Mandanten – ggf. mit sachverständiger Hilfe Dritter – fachliche Einwände gegen die Beurteilung zu formulieren.
Kosten einer (Fach-)Abiturergebnisanfechtung
Für die Tätigkeit im Widerspruchsverfahren fallen nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) zwischen ca. 500 und 800 € an. Diese Gebühren stehen aber in keinem angemessenen Verhältnis zu dem zeitlichen Aufwand, der im Allgemeinen für mich mit einer Abiturergebnisanfechtung verbunden ist.
Ich bestehe daher immer auf dem Abschluss einer Honorarvereinbarung, wobei Stunden- und/oder Pauschalhonorarvereinbarungen in Betracht kommen.
Auf deren Grundlage fällt bei einer Abiturergebnisanfechtung ein Honorar von etwa 1.500 bis 3.000 € an. Hinzu kommen die Gebühren für das Widerspruchsverfahren, die von der Behörde festgesetzt werden, die im Bereich von etwa 100 bis 300 € liegen.
Für die Durchführung eines Klageverfahrens vor dem Verwaltungsgericht fallen nach dem RVG ca. 1000 € an.
Im Hinblick auf den zeitlichen Aufwand, der mit einer Vertretung im gerichtlichen Verfahren verbunden ist, ist allerdings auch hier der Abschluss einer Vergütungsvereinbarung unabdingbar, auf deren Grundlage Sie mit Kosten zwischen 2000 und 3000 € rechnen müssen. Hinzu kommen Gerichtskosten in Höhe von ca. 500 €.