Einführung zur Prüfungsanfechtung

Prüfungen und ihre Bedeutung für die Lebensgestaltung

Prüfungen begleiten uns das ganze Leben. Ihr Ausgang entscheidet – unmittelbar oder mittelbar – immer darüber, ob eine bestimmte (berufliche) Tätigkeit ausgeübt werden darf oder nicht.

Bedeutsam sind dabei vor allem diejenigen Prüfungen, die den zukünftigen Lebensweg bzw. beruflichen Werdegang (mit-)bestimmen, also zunächst die schulischen (Abschluss-)Prüfungen und später vor allem die berufseröffnenden Prüfungen.

Die Berufswahl ist auch und vor allem immer Ausdruck der Persönlichkeit eines Menschen. Das endgültige Nichtbestehen einer Berufszugangsprüfung oder die Verfehlung der für die Ergreifung des Wunschberufs erforderlichen Abschlussnote hindert den betroffenen Prüfling somit (auch) an seiner Persönlichkeitsentfaltung.

Negative Prüfungsentscheidung lässt Lebensträume platzen

Die entsprechende Mitteilung des Prüfungsamtes, dass die abgelegte Berufszugangsprüfung nicht oder nicht mit der angestrebten Abschlussnote bestanden worden ist, lässt daher Lebensträume platzen und kann den („gescheiterten“) Prüfling schlimmstenfalls völlig aus der Bahn werfen.

Jedenfalls hat sie erst einmal unmittelbare, unter Umständen gravierende, Konsequenzen für die berufliche und private Lebensgestaltung. Und die gesamte Zeit und Energie, die in den prägenden Lebensabschnitt der Berufsausbildung und die Prüfungsvorbereitung investiert wurde, scheint rückblickend betrachtet sinnlos aufgewendet.

Prüfungsausgang nicht einfach als Lebensschicksal hinnehmen

Bis zu einem gewissen Grade muss der Ausgang von (Berufszugangs-)Prüfungen sicherlich auch als Lebensschicksal hingenommen werden.

Angesichts der herausragenden Bedeutung von Prüfungen, die über den Zugang zu dem angestrebten Beruf (mit-)entscheiden, sollte deren ungünstiger Ausgang aber keinesfalls vorschnell akzeptiert werden. Dies insbesondere dann nicht, wenn der Prüfungserfolg nur knapp verpasst worden ist und schon aus der Sicht des Prüflings Anhaltspunkte dafür bestehen, dass seine Leistungen fehlerhaft ermittelt und/oder bewertet worden sind.

Aber auch wenn man gar nicht das Gefühl hat, ungerecht behandelt worden zu sein, lohnt es sich häufig, insbesondere bei einem knapp verpassten Prüfungserfolg, die Rechtmäßigkeit der Leistungsermittlung und -bewertung mit sachverständiger Hilfe überprüfen zu lassen und zu versuchen, noch mit einer Prüfungsanfechtung zum Prüfungserfolg zu kommen.

Nicht selten finden sich bei einem aus Sicht des Prüflings nicht zu beanstandenden Prüfungsergebnis insbesondere Fehler im Bewertungsverfahren, die zu dessen Aufhebung und einem Neubewertung- oder Neuerbringungsanspruch führen.

Rechtsinstrument Prüfungsanfechtung

Das richtige Instrument für das Vorgehen gegen rechtswidrige Prüfungsentscheidungen ist die Prüfungsanfechtung. Der Begriff „Prüfungsanfechtung“ beschreibt schlagwortartig die dem Prüfling eröffnete Möglichkeit, sich gegen ihn belastende Prüfungsentscheidungen außergerichtlich und/oder gerichtlich zur Wehr zu setzen.

Außergerichtlich wird eine Prüfungsanfechtung durchgeführt, indem gegen den Bescheid über das (endgültige) Nichtbestehen einer (Abschluss-)Prüfung oder ihr Bestehen mit einer bestimmten (Abschluss-)Note Widerspruch eingelegt wird bzw. Einwendungen gegen Einzelnoten in einem vorgelagerten oder eigenständigen verwaltungsinternen Kontroll- bzw. „Überdenkungsverfahren“ erhoben werden.

Bleibt die außergerichtliche Rechtsverfolgung ohne Erfolg, besteht die Möglichkeit, gegen den Prüfungsbescheid – ggf. in der Gestalt des Widerspruchsbescheides – vor dem Verwaltungsgericht Klage zu erheben.

Zusätzlich kann das Recht des Prüflings auf eine „richtige“ Prüfungsentscheidung durch vorläufige Rechtsschutzanträge, gerichtet etwa auf vorläufige Zulassung zur mündlichen Prüfung oder die vorläufige Neubewertung oder Neuerbringung einzelner Prüfungsleistungen, gerichtlich durchgesetzt werden.

Anfechtbare Prüfungsentscheidungen

Wenn von einer Prüfungsanfechtung die Rede ist, ist im Allgemeinen nur an die Anfechtung von berufsbezogenen Prüfungsentscheidungen gedacht, die vom Staat und anderen Trägern hoheitlicher Gewalt (Universitäten, Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern, Steuerberaterkammern etc.) abgenommen werden, und die mit dem Widerspruch oder einem anderen außergerichtlichen Rechtsbehelf und/oder einer verwaltungsgerichtlichen Klage angegriffen werden können.

Entscheidungen öffentlich-rechtlicher Institutionen

Tatsächlich werden die meisten berufsbezogenen Prüfungsentscheidungen nach wie vor von öffentlich-rechtlichen Institutionen erlassen. Der Streit um die Rechtsmäßigkeit der Prüfungsentscheidung ist in diesem Fall also öffentlich-rechtlicher Natur.

Wenn und soweit die Bewertung einer einzelnen Prüfungsleistung und die auf der Grundlage der erbrachten einzelnen Prüfungsleistungen ergehende Prüfungsentscheidung einen Verwaltungsakt darstellt, kann dieser somit mit Widerspruch und/oder Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage angegriffen werden.

Im Übrigen sind ggf. vorgesehene andere außergerichtliche, öffentlich-rechtliche Rechtsbehelfe eröffnet und es steht die Erhebung der anderen, jeweils einschlägigen verwaltungsgerichtlichen Klagen ([Fortsetzungs-]Feststellungsklage, Leistungsklage) offen.

Anfechtbar sind insbesondere die folgenden, auf der Grundlage öffentlich-rechtlicher Rechtsvorschriften ergehenden Prüfungsentscheidungen:

  • Ergebnismitteilungen bzw. Prüfungsbescheide der Hochschulen und Fachhochschulen über das Ergebnis von Modul- und Abschlussprüfungen
  • Prüfungsbescheide der (Landes-)Prüfungsämter über das in Staatsprüfungen für Juristen, Ärzte und Lehrer erzielte Prüfungsergebnis
  • Prüfungsbescheide der Innungen bzw. Handwerkskammern über das Ergebnis der Gesellen- bzw. Meisterprüfung
  • Prüfungsbescheide der IHK über das Ergebnis von Abschluss-/Fortbildungsprüfungen
  • Prüfungsbescheide des zuständigen Landesprüfungsamtes über das in den Staatlichen Abschlussprüfungen in den sozialen Berufen (Gesundheits- und Krankenpfleger/in, MTA, Physiotherapeut/in etc.) erzielte Prüfungsergebnis
  • Prüfungsbescheide der Steuerberaterkammern/der Steuerberaterprüfungsstelle in Baden-Württemberg über das Ergebnis der Steuerberaterprüfung
  • Prüfungsbescheide des Prüfungsamtes über das in der Notariellen Fachprüfung erzielte Prüfungsergebnis

Entscheidungen privater Institutionen

Von (zunehmender) Bedeutung sind Prüfungsentscheidungen, die vor allem von privaten Universitäten und privaten Bildungsträgern erlassen werden.

In diesem Fall erfolgt der Studien- und Prüfungsbetrieb auf privatrechtlicher Grundlage. Ob der Prüfling und welche Möglichkeiten er hat, Einwände gegen die Bewertung seiner Prüfungsleistungen zu erheben, hängt zunächst von der Ausgestaltung des privaten Prüfungsrechtsverhältnisses ab.

Wenn der Prüfling eine Klage erheben möchte, so steht ihm grundsätzlich allein der Zivilrechtsweg offen. Welche Rechte dem Prüfling im Rahmen eines privaten Prüfungsrechtsverhältnisses im Einzelnen zustehen, also ob und inwieweit er mit Aussicht auf Erfolg die Bewertung einer Prüfungsleistung anfechten kann, ist bislang kaum geklärt.

Fest steht bislang nur, dass wegen der Grundrechtsrelevanz berufsbezogener Prüfungen die Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht für die Art und Weise und den Umfang der Überprüfung einer berufsbezogenen Prüfung aufgestellt hat, jedenfalls über das dogmatische Institut der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte zur Geltung kommen müssen.

Im Ergebnis wird dem Prüfling daher auch bei privatrechtlicher Ausgestaltung des Prüfungsrechtsverhältnisses ein demjenigen im Öffentlichen Recht vergleichbarer Rechtsschutz zuteil werden müssen.

Rechtsschutzaufspaltung an der EBS Law School

Ein besonders interessantes Beispiel ist im Übrigen im vorstehenden Kontext die EBS Law School, die ihre Studierenden auf die staatliche Pflichtfachprüfung vorbereitet, zugleich aber die Schwerpunktbereichsprüfung als Teil der Ersten juristischen Prüfung in eigener Verantwortung und damit im Rahmen eines privatrechtlichen Prüfungsrechtsverhältnisses abnimmt.

Wenn der Prüfling gegen das Ergebnis seiner Schwerpunktbereichsprüfung gerichtlich vorgehen möchte, muss er also den Zivilrechtsweg beschreiten, einen gerichtlichen Streit um die Rechtmäßigkeit des Ergebnisses der staatlichen Pflichtfachprüfung muss er dann auf dem Verwaltungsrechtsweg austragen.